Ulrike Beige – Colby, Kansas

Ulrike Beige
Colby, Kansas

Nach ein paar tränenreichen Tagen des Abschieds ging es für mich am 04. August 2009 zum ersten Mal in die USA. Die Zweifel kamen in mir hoch, ob es wirklich die richtige Entscheidung war, mein Studium in Deutschland für ein Jahr auf Eis zu legen und Tausende von Kilometern entfernt von meiner Familie zu leben.

Der Flug an sich kam mir gar nicht so lang vor, obwohl ich insgesamt ca. 19 Stunden unterwegs war. Meine Trainerin hat mich dann am Flughafen in Denver abgeholt und wir verbrachten die Nacht dort, weil am nächsten Morgen eine unserer Brasilianerinnen ankam. Dann ging es nach Colby. Völlig erschöpft vom Jetlag und mit nicht so gutem Englisch wurde die dreistündige Fahrt also eher ruhig verbracht.

Mein erster Eindruck von Colby war die scheinbar unendliche Weite. Rundherum nur Farmland, kaum Bäume, geschweige denn Wälder. Dann ging es zu meinen Gasteltern, mit denen ich großes Glück habe, denn die beiden sind super freundlich und haben mich herzlich in ihre Familie aufgenommen.

Bevor das Semester also startete, hatten wir eine Woche Trainingslager. 3x täglich, beginnend früh 6:30 h mit Konditionstraining. Nach den ersten beiden Tagen dachte ich: das überleb ich nicht. Das Volleyballspiel hier ist um so viel schneller als in Deutschland und man muss sich wirklich umgewöhnen. Aber das Team unterstützt einen sehr dabei und so wurden schnell Freunde gefunden, die einem auch über das Heimweh hinweg helfen. Die Menschen hier drüben sind generell sehr aufgeschlossen und freundlich einem gegenüber, auch wenn man sie gar nicht kennt.

Mit Saisonbeginn wurden die Eindrücke einfach überwältigend! So viele Menschen, die sich ein College-Volleyballspiel angucken kommen? Sind die wirklich sicher, dass sie in der richtigen Halle sind? Aber es war wirklich so. Die Studenten kamen teilweise mit in der Collegefarbe bemalten Oberkörpern (insbesondere die Baseballjungs), wo man dann aus dem Staunen überhaupt nicht mehr rauskommt. Ein anderer Aspekt, der unglaublich erscheint, ist, dass wir teilweise bis zu elf Spiele in sieben Tagen hatten. Natürlich waren wir froh, wenn solche Zeiten schnell vorbei waren, aber im Nachhinein ist es schon schade, dass die Saison so schnell vergeht. Anfang November war für uns dann erstmal mit Volleyball Schluss, Winterpause sozusagen. Meine Kurse fanden jeden Tag nur bis Mittag statt, so dass ich den kompletten Nachmittag frei hatte. Und da geht dann das Collegeleben los, wie man es sich vorstellt. Man unternimmt viel mehr mit Freunden oder lernt neue Freunde kennen, was dann natürlich auf verschiedene Parties, Filmnächte oder was immer man im Kopf hat hinausläuft.

Über Thanksgiving war ich mit meinen Gasteltern in Cabo, Mexiko. Endlich mal für eine Woche raus aus dem kalten, nassen und trüben Colby Ende November. Dort herrschten sommerliche Temperaturen und das Meer direkt vor dem Hotel. Es war einfach nur genial.

Danach hieß es noch zwei Wochen College, die Semesterabschlussprüfungen und dann flog ich mit drei Freundinnen aus dem Team für vier Tage nach Las Vegas. Und es ist genau so, wie man es sich vorstellt. Überall Casinos, Clubs, Shopping Malls und all die berühmten Hotels – alles in einer Straße, dem Strip. Dadurch, dass die anderen drei noch nicht 21 waren, konnten wir weder spielen noch in die Clubs, aber es waren trotzdem vier super Tage, an die man sich immer wieder gern erinnert.

Wieder zurück aus Las Vegas, war ich keine 24 Stunden in Colby und dann ging es mit meinen Gasteltern nach Granby, Colorado zum Skiurlaub. Weihnachten wurde dort in den Bergen verbracht und auch wenn wir nicht so sehr viel Schnee hatten und es teilweise bitterkalt war, war es doch eine schöne Woche.

Das neue Semester hat nun gerade begonnen und macht jetzt schon Spaß. Das Englischsprechen verbessert sich immer mehr, so dass man bereits in Englisch denkt und auf Englisch träumt. Wenn ich sonntags mit meiner Familie telefoniere, kommt es mir vor, als wären sie ganz in der Nähe und nicht auf der anderen Seite der Erde. Hin und wieder vergesse ich sogar schon deutsche Wörter. In Spring Break Mitte März kommen meine Eltern mich besuchen, wir treffen uns in New York, verbringen dort drei Tage und dann kommen wir hierher nach Colby. Ich freu mich schon so sehr darauf ihnen alles zu zeigen und Freunde kennenzulernen. Aber auf der anderen Seite ist es etwas schade, weil es dann nur noch acht Wochen sind bis das Semester vorbei ist und ich zurück nach Deutschland fliege und ich weiß, dass ich einige von den neuen Freunden hier vielleicht nicht mehr wieder sehe.

Und trotzdem kann ich sagen, dass ich sehr froh bin, nach Amerika gegangen zu sein, weil man viel weltoffener, unabhängiger und erwachsener wird. Es ist ein großer Schritt, für ein Jahr von der Familie getrennt zu sein, aber es gibt immer Möglichkeiten in Kontakt zu bleiben.

Mittlerweile spiele ich sogar schon mit dem Gedanken, mich nach meinem Bachelorabschluss in Deutschland für den Masterstudiengang an einer Universität hier zu bewerben, um dann vielleicht auch später mein Hobby zum Beruf zu machen und als Volleyballtrainer hier zu arbeiten.